
Fotomontage: Pixabay
Ein Gastbeitrag von Reiner Freund
Vorbemerkung:
Bildung ist wichtig – sehr wichtig. Als ehemaliger Lehrer weiß ich aus eigener Erfahrung, wie wohltuend ein Neubau für eine Schulgemeinschaft sein kann. Ich habe selbst den Umzug in ein neues Schulgebäude miterlebt – allerdings handelte es sich damals um einen Umbau mit Integration bestehender Gebäude.
Wentorf – die „Stadt im Grünen“?
Unsere Gemeinde wirbt mit diesem Slogan – doch der Realität steht er zunehmend entgegen. In den letzten Jahren wurden viele Grünflächen für neue Wohngebiete und Infrastrukturprojekte geopfert, zuletzt etwa beim Neubau der Feuerwehr. Auch in Wentorf verschwinden Bäume, Flächen werden versiegelt – eine Entwicklung, die sich bundesweit zeigt:
„… Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland in den Jahren 2019 bis 2022 um durchschnittlich 52 Hektar pro Tag gewachsen […]. Anfang 2024 lag die Rate bei etwa 55 Hektar pro Tag.“
(Quelle: Wikipedia)
Das entspricht rund 80 Fußballfeldern pro Tag, die unter Asphalt, Beton und Pflaster verschwinden – und damit aus natürlichen Kreisläufen herausfallen.
Ich bin zuversichtlich, dass viele Wentorfer*innen diese Entwicklung nicht wollen. Denn ich habe erlebt:
- … wie Menschen Schlange standen, um sich für den Erhalt der Weide (Aldi-Erweiterung) einzusetzen – die Fläche ist bis heute erhalten.
- … wie beim Bürgerbeteiligungsverfahren zur Casinopark-Umgestaltung der „grünste“ Entwurf mit Bauminseln gewann.
- … wie Familien den „Essbaren Park“ mitgestaltet haben – und ihn weiterhin pflegen.
- … dass unsere Verwaltung inzwischen einen Baumverantwortlichen eingesetzt hat – ein Zeichen des Umdenkens.
Viele Menschen spüren: Wir brauchen grüne Trittsteine, Rückzugsräume für die stark bedrohte Artenvielfalt. Die Kleingartenanlage in Wentorf ist genauso ein Ort.
Was leistet die Kleingartenanlage heute?
- Sie bietet Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen.
- Der Boden speichert Wasser und CO₂ – wichtig für Klima- und Hitzeschutz.
- Die Fläche wirkt kühlend auf das Mikroklima der Umgebung.
- Regionale Lebensmittel werden hier angebaut – ohne zusätzlichen Naturverbrauch.
- Menschen ohne eigenen Garten finden hier Erholung, Sinn und direkten Naturkontakt.
Viele dieser Leistungen werden andernorts unter dem Begriff „Klimafolgenanpassung“ mühsam hergestellt – hier gibt es sie bereits, kostenlos.
Gleichzeitig warnen Expert*innen vor den ökologischen Folgen des Bauens:
- Rund 40 % der CO₂-Emissionen entstehen im Bausektor.
- 60 % des gesamten Mülls in Deutschland stammt aus dem Bauwesen.
- Neubauten verbrauchen Ressourcen, Energie und zerstören oft funktionstüchtige Bestandsbauten.
Der Bund Deutscher Architekten bringt es auf den Punkt:
„Bauen muss vermehrt ohne Neubau auskommen. Priorität hat der Erhalt und das Weiterbauen am Bestehenden – nicht der leichtfertige Abriss.“
(„Das Haus der Erde“, 6/20)
Das oft genannte Argument, ein Umbau sei teurer als ein Neubau, ist kurzfristig gedacht. Nicht eingerechnet wird der Wert der Ökosystemdienstleistungen, die natürliche Flächen wie Kleingärten für uns alle erbringen.
Was spricht gegen den Abriss – und für alternative Lösungen?
Langfristig brauchen wir mehr intakte Naturräume, nicht weniger. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist nicht nur ein Unterrichtsinhalt – sie muss auch architektonisch und planerisch sichtbar werden.
Warum also nicht …
- eine Aufstockung oder Erweiterung der bestehenden Gebäude – z.B. in ökologischer Holzbauweise?
- mit Gründächern, Solaranlagen, Fassadenbegrünung?
- artenfreundlich gestaltete Schulhöfe mit Aufenthaltsqualität?
- eine Kooperation mit dem Kleingartenverein – z.B. für Schulgartenprojekte?
Solche Ideen könnten – im Rahmen einer ergebnisoffenen Bürgerversammlung – gemeinsam mit Verwaltung, Schule, Planer*innen und engagierten Bürger*innen entwickelt werden.
Fazit:
Gute Bildung ist unser Ziel – keine Frage. Aber sie darf nicht gegen den Erhalt wertvoller Naturflächen ausgespielt werden. Ein Schulneubau auf dem Gelände der Kleingartenanlage ist keine Lösung, sondern ein Rückschritt – ökologisch, sozial und planerisch.
