Auf der Einwohnerversammlung am 01.02.2024 wurde dieser Punkt in einem Wortbeitrag einer Rednerin angesprochen. „Sind die politischen Parteien durch ihr eigenes parteipolitisches Korsett (z.B. Fraktionszwang, parteiliches Erfolgs-und Konkurrenzdenken, Wahlkampf etc.) oft eigentlich gar nicht in der Lage alleine gute Entscheidungen für die Gemeinschaft zu treffen oder schlechte sogar zu revidieren?“ Eine durchaus kluge und politisch aktuelle Frage, wie wir finden, die im Fortgang des Beitrags das Thema „Bürgerrat für Wentorf“ ins Gespräch brachte. Dieses Thema birgt in der Tat interessante, neue, Möglichkeiten für demokratische Entscheidungen in Kommunen, Bundesändern oder dem Staat.
Wir wollen dieses Thema bei WiB-Online vorstellen und in eine Diskussion bringen und sie, liebe Wentorfer*innen bitten, sich zahlreich an dieser Diskussion zu beteiligen!
Vorab aber erst einmal eine grundsätzliche Darstellung des Themas „Bürgerräte“:
Was sind eigentlich Bürgerräte? Bürgerräte sind Gremien, die aus zufällig ausgewählten Bürgern bestehen und dazu dienen, komplexe politische Fragen zu diskutieren, Lösungsvorschläge zu erarbeiten und Empfehlungen an politische Entscheidungsträger zu geben. Sie werden oft als Mittel zur Stärkung der demokratischen Teilhabe betrachtet, da sie durch die Bürger eine breite Palette von Stimmen und Perspektiven repräsentieren.
Wie funktionieren Bürgerräte? Die Funktionsweise von Bürgerräten kann je nach Kontext variieren, aber im Allgemeinen folgen sie jeweils einem ähnlichen Ablauf. Zunächst werden die Mitglieder des Bürgerrats zufällig aus der Bevölkerung ausgewählt, um sicherzustellen, dass eine repräsentative Gruppe entsteht. Dann treffen sich diese Bürgerinnen und Bürger über einen bestimmten Zeitraum hinweg, um das Thema ihrer Beratung zu diskutieren. Dies kann von lokalen Angelegenheiten bis hin zu nationalen Politikfragen reichen. Die Diskussionen werden oft von Experten moderiert, um sicherzustellen, dass alle relevanten Informationen präsentiert werden, und um sicherzustellen, dass die Debatte auf Fakten und fundierten Argumenten basiert. Am Ende des Prozesses werden Empfehlungen oder Entscheidungen verabschiedet, die den politischen Entscheidungsträgern vorgelegt werden, um in ihre Entscheidungsfindung einbezogen zu werden.
Warum sind Bürgerräte interessant? Bürgerräte spielen eine wichtige Rolle bei der Stärkung der Demokratie auf mehrere verschiedene Weisen:
- Inklusion und Vielfalt: Durch die zufällige Auswahl der Mitglieder repräsentieren Bürgerräte eine breite Palette von Bevölkerungsgruppen und verhindern so, dass bestimmte Stimmen übermäßig gehört werden, während andere unterrepräsentiert sind.
- Legitimität und Vertrauen: Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungen durch Bürgerräte trägt dazu bei, das Vertrauen in die Demokratie zu stärken, da sie das Gefühl vermitteln, dass ihre Stimme gehört wird und ihre Meinung zählt.
- Deliberative Demokratie: Bürgerräte fördern deliberative Prozesse, bei denen Bürgerinnen und Bürger in der Lage sind, komplexe politische Fragen gründlich zu diskutieren und fundierte Entscheidungen zu treffen, anstatt von oberflächlichen oder populistischen Argumenten beeinflusst zu werden.
- Innovative Lösungen: Durch die Einbeziehung einer Vielzahl von Stimmen und Perspektiven können Bürgerräte zu innovativen und ausgewogenen Lösungen für komplexe politische Probleme beitragen.
Beispiele für Bürgerräte: Bürgerräte sind weltweit im Einsatz und haben in verschiedenen Ländern und Kontexten unterschiedliche Formen angenommen. Einige Beispiele sind:
- Irland: Der irische Bürgerrat wurde 2012 gegründet und hat eine Reihe von Themen von sozialer Gerechtigkeit bis hin zu Klimawandel behandelt. Seine Empfehlungen wurden in politische Maßnahmen umgesetzt.
- Frankreich: Der Französische Bürgerrat für das Klima wurde 2019 eingerichtet und spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Klimapolitik in Frankreich.
- Kanada: In Kanada wurden Bürgerräte auf lokaler Ebene eingesetzt, um über Themen wie Haushaltsplanung und städtische Entwicklung zu beraten.
In Deutschland sind Bürgerräte ein relativ neues Instrument der Bürgerbeteiligung, das in verschiedenen Städten und Regionen eingeführt wurde. Es gibt keine umfassende Liste aller Bürgerräte, da diese auf lokaler Ebene eingerichtet werden und je nach Bedarf und Initiative variieren können. Es gibt verschiedene Bürgerratsorganisationen, die sich für die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungsprozessen einsetzen. Ein prominentes Beispiel ist der „Bürgerrat Demokratie“, der von der gemeinnützigen Organisation „Mehr Demokratie e.V.“ ins Leben gerufen wurde. Dieser Bürgerrat setzt sich aus zufällig ausgewählten Bürgern zusammen, die über einen bestimmten Zeitraum gemeinsam über politische Themen beraten und Empfehlungen für die Politik erarbeiten.
Die Zukunft der Demokratie: Bürgerräte können also einen vielversprechenden Weg bieten, um die Demokratie zu stärken und das Vertrauen der Bürger*innen in die politischen Institutionen wiederherzustellen. Indem sie eine inklusive und deliberative Plattform für politische Diskussionen bereitstellen, haben sie das Potenzial, die Art und Weise zu transformieren, wie Entscheidungen getroffen werden, und die Demokratie für das 21. Jahrhundert zu erneuern. In einer Zeit, in der die traditionellen Mechanismen der Demokratie zunehmend hinterfragt werden, könnten Bürgerräte an Bedeutung gewinnen. Diese Foren, die darauf abzielen, Bürgerinnen und Bürgern direktere Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen zu ermöglichen, könnten zu einem Symbol für eine neue Ära des demokratischen Engagements werden.
Die Landesregierung für Schleswig-Holstein bereitet für Mai 2024 einen Bürgerrat Klima vor. Noch im März werden 3000 Bürger angeschrieben. Auch Wentorfer dürfen damit rechnen, einen Brief aus Kiel zu bekommen.
Einzelheiten hierzu auf
Man darf sich allerdings fragen, warum das Land nicht auf die Ergebnisse des bundesweiten Bürgerrats Klima vom 23.6.2021 zurückgreift. So viel wird sich seit dem doch nicht verändert haben?
Werter Herr Matzen, haben Sie schon mal darüber nachgedacht, daß es nicht die von Ihnen zitierten „Schreiberlinge“ sind, die Ursache für die allenthalben um sich greifende Politikverdrossenheit sind? Kontroverse Debatten, so richtige, habe ich bisher in Ausschußsitzungen eher nicht erlebt. Vielmehr habe ich den Eindruck mitgenommen, daß die Vorklärungen irgendwo/ irgendwann vor den Sitzungen vorgenommen wurden und so für die Bürger nicht nachvollziehbar sind. Abgesehen von solchen Sitzungen, in denen Pläne oder Gutachten vorgestellt wurden, war mein Erkenntnisgewinn eher gering. Übrigens, die sog. „Schreiberlinge“ von Wentorf im Blick recherchieren und schreiben ebenfalls ehrenamtlich und häufig mit erheblichem Zeitaufwand.
Übrigens: Im Koalitionsvertrag unserer Landesregierung ist die Einführung von Bürgerräten in den Kommunen Schleswig-Holsteins vorgesehen. Wenn man sich allerdings ansieht, was bislang von CDU/Grünen umgesetzt wurde, fällt es schwer an den Parteien nicht zu zweifeln …
Was für ein eingeschränktes Weltbild wird hier offenbar? Kommunalpolitiker sind keine Bürger????? Wir leben hier, ziehen unsere Familien hier groß, sind in den Vereinen und haben nur einen Unterschied, wir sind bereit Zeit für die Arbeit in den kommunalpolitischen Gremien zu geben. Im Leserbrief wird den Bürgern Wentorfs, die sich an der politischen Willensbildung beteiligen die freie Meinung abgesprochen. Es empört mich total, wie Menschen, die selbst in keiner Sitzung zu finden sind, lieber am Schreibtisch sich eine Meinung bilden, ohne Rücksprache mit den politischen Vertretern zu halten. Hier zeigt sich im Kleinen, wie einige wenige Schreiberlinge den Zusammenhalt der Gesellschaft hintertreiben wollen, und den extremistischen Parteien, wie denen vom rechten Rand, Vorarbeit leisten. „Politker sind von Parteizentralen gesteuert, hätten daher keine eigene Meinung es würde gemauschelt usw.“ In den Gremien streiten wir sehr oft, aber so funktioniert Demokratie, ich bin nicht mit allen Entscheidungen einverstanden, aber das ist Demokratie. In einem sind wir uns in Wentorf einig, wir haben einen Grundrespekt vor jeder Person, die seien Freizeit für diesen Dienst an der Gemeinschaft opfert. Hier in diesen sogenannten Zeitung wird diesen Menschen aber ständig vorgeworfen nur das Falsche zu tun. Jeder in der Redatktion ist herzlich eingeladen in die Fraktionen oder die Sitzungen zu kommen.
Hallo, Herr Matzen.
Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Das ist einer meiner Lieblingssätze!
Ihrem Wortlaut nach trifft das auch für Sie zu. Sie haben noch nicht erkannt, dass die Bürger es satt haben, sich von einer Elite führen zu lassen, sie wollen selbst und direkt entscheiden, was für Sie richtig ist. Allein schon die Streitereien und das Geschachere der Ampelkoalition, aber auch das der CDU/CSU geht auf die Nerven.
Weltweit sind in den letzten Jahren Bürgerräte entstanden In Island hat ein Bürgerrat die Verfassung geändert, Frankreich ließ einen Bürgerrat über Sterbehilfe beraten. Das ist aber erst der Anfang. Lesen Sie Bücher wie „Gegen Wahlen“ von David Van Reybrouck (2016) und „Open Democracy“ von Helene Landemore (2020)
Das Volk will sich selbst verwalten, ohne die Ideologien, ohne die Streitereien der Parteien wird es endlich geradeaus gehen.
Richtig! Eine moderne, bürgernahe Kommunalpolitik braucht Bürgerräte, und zwar für alle komplexen Themen. Als allererstes zur Umgestaltung des Casinoparks, aber auch zur Hauptstraße, zur Verkehrsentwicklung, zur Klimakrise und zu vielem mehr. Denn wie sonst können die Politiker wissen, was die Bürger sich wünschen, welche Ideen zur Problemlösung sie sonst noch haben? Bürgerräte sind in jedem Fall viel aussagekräftiger als jede noch so gut organisierte Bürgerbeteiligung.