Alle müssen sparen: im Bundeshaushalt sucht der Finanzminister noch 8 Milliarden Euro, die Landkreise stöhnen bundesweit über leere Kassen und fordern mehr finanzielle Unterstützung von den Ländern und vom Bund, die Gemeinden und Städte in Schleswig-Holstein weisen über ihre kommunalen Spitzenverbände auf unausgeglichene Haushalte, Finanzierungslücken oder gar -löcher hin, die Verbraucher beklagen hohe Wohn-, Energie- und Lebensunterhaltungskosten, Kredite sind teuer, Klimaschutzmaßnahmen notwendig aber in Wentorf noch nicht angedacht, Kulturveranstaltungen nicht mehr für jeden erschwinglich und Wentorfs Vereine und Verbände werden an einer finanziell kurzen Leine geführt.
Wie WiB online durch Reaktionen auf eigene Berichterstattung erfahren hat, machen sich unsere Gemeindevertreterinnen und -vertreter kaum Sorgen, ob und wie die 20,7 Mio. Euro für das Feuerwehrgerätehaus neben den vielen anderen Investitionsmaßnahmen finanziert werden sollen. Scheinbar gehen sie davon aus, es sei genug Geld in der Kasse, sodass es kaum zu Darlehensaufnahmen kommen muss. Gleichzeitig wünschen sie sich noch ein neues Schulzentrum für mindestens 100 Mio. Euro. Koste es, was es wolle? Zins- und Tilgungsraten müssen auch bezahlbar sein.
Für das letzte Großprojekt, den Bau des 2013 eingeweihten Kinderzentrums, wurden 2012 12 Mio. Euro Darlehen aufgenommen. Aber es wurden begleitend 2012 umfangreiche Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung beschlossen und umgesetzt:
Die Aufwendungen mussten um 1,12 Mio. Euro reduziert werden, und es sollten Strukturveränderungen durchgeführt werden. Vergnügungssteuer und Hundesteuer wurden erhöht, Einrichtungen wurden privatisiert, Personalreduzierungen wurden vorgenommen, eine Niederschlagsbeseitigungsgebühr wurde eingeführt, um nur einige Punkte zu nennen. Auch wurden die allgemeinen Steuersätze (Grund- und Gewerbesteuern) in den Folgejahren angehoben, um die finanzielle Leistungsfähigkeit nicht zu gefährden.
(Vorlage VO/2012/2020/0024)
Heute, Mitte 2024 kann von einem Sparkurs oder gar einer Haushaltskonsolidierung überhaupt nicht die Rede sein. Zwar wurde in der Jahresrechnung 2022 noch gewarnt, „im Rahmen einer strukturierten Haushaltsführung die Aufwendungen möglichst niedrig zu halten und die Erträge bestmöglich auszuschöpfen“ , jedoch ist nicht erkennbar, wie man das Geld erwirtschaften will.
Vielleicht bei den Straßenreinigungsgebühren und dem Winterdienst?
Dies ist ein erst kürzlich bekannt gewordener, bemerkenswerter Fall aus der Sitzung des Liegenschaftsausschusses am 11.07.2024, der hier nicht unerwähnt bleiben soll. Zur Vorgeschichte:
Aus verschiedenen Gründen sind die Betriebskostenabrechnungen für die Straßenreinigung und den Winterdienst seit 2014 nicht neu berechnet worden. Die Verwaltung legte nun die neuen Gebührenberechnungen für die Jahre 2019 bis 2022 im Juli 2024 dem Liegenschaftsausschuss vor. Wie kaum anders zu erwarten, stehen saftige Gebührenerhöhungen im Raum: die Vorlage 2023/201/138 für die Sitzung am 11.07.2024 gibt darüber Auskunft.
Zitat :
„Die Nachholung der Unterdeckungen aus den Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2019 bis 2022 würde die künftigen Gebührenzahler in erheblichen Maße belasten.
In diesem Zusammenhang wird auf die Gebührenkalkulation der Jahre 2023 bis 2025 laut Vorlage 2023/201/140 verwiesen.
Verwaltungsseitig wird daher empfohlen, sowohl bei den Unterdeckungen des Winterdienstes aus den Jahren 2019 und 2021 als auch bei den Unterdeckungen der Straßenreinigung aus dem Zeitraum 2019 bis 2022 von einer Nachholung abzusehen.“
(Rechtsgrundlage ist der § 6 Abs. 2 KAG.
Seit 2014 beträgt die Gebühr 1,06 Euro pro Kehrmeter bei der Straßenreinigung und 2,34 Euro pro Winterdienstmeter.)
Der Ausschuss ist diesem Vorschlag mit allen Stimmen aller Fraktionen jedoch nicht gefolgt, sondern es wurde wie folgt beschlossen:
1. Die Betriebskostenabrechnungen 2019 bis 2022 werden zur Kenntnis genommen.
2. Die Unterdeckungen beim Winterdienst aus 2019 in Höhe von 12.747,44 Euro und aus 2021 in Höhe von 79.621,97 Euro werden nachgeholt.
3. Die Unterdeckungen bei der Straßenreinigung aus 2019 in Höhe von 81.816,57 Euro, aus 2020 in Höhe von 100.578,34 Euro, aus 2021 in Höhe von 162.052,50 Euro und aus 2022 in Höhe von 156.295,92 Euro werden nachgeholt.
Kommentar: Auch wenn das letzte Wort die Gemeindevertretung hat, ist derzeit absehbar, dass auf alle Gebührenzahler (auch auf Mieter) ordentlich etwas zukommt.
Die Gemeinde braucht Geld. Und das holt sie sich.